Es gibt nur wenige Tage im Jahr, in dem die Sonne beim Untergehen genau so steht, dass das Licht die Buchstaben an dem Haus 250m von mir entfernt so anscheint, dass die Licht Reflexion als warmes, oranges Licht bis auf das Klavier reflektiert werden, dann so ziemlich direkt waagrecht, in einem Winkel, den die Sonne nie hat, das ganze Jahr über nicht. Spätestens wenn das passiert, weiss ich, dass der Sommer vorbei geht und der Herbst sich bereits ankündigt. Das warme Licht ist der Vorbote, ein Vorgeschmack. Teil des Übergang. Einer von vielen Übergängen. Ein optisch sehr wunderbarer, warmer. Für wenige Minuten, obwohl die Sonne bereits hinterm Haus am Verschwinden ist, strahlen die Buchstaben das Sonnenlicht noch einmal ins Zimmer. Und schaffen eine Illusion, die so eigentlich nicht existieren würde. Ein wiederkehrender, wundervoller Zufall. Eine der schönsten Arten der Natur, mir ganz sanft mitzuteilen: du, der Sommer, der wird bald vorbei sein. Setze dich morgen noch einmal in die Sonne und genieße sie.
Den Sommer loslassen und dem Herbst Hallo sagen. Übergängen nachspüren. Noch einen kleinen Moment innehalten…
Es ist ein guter Sommer, wenn man mehrmals auf seinem Fahrrad aus der Stadt heraus fährt, am besten für mehrere Tage. Der flirrende Hitze entfliehen. Und wenn einer der schönsten türkisen Seen, in dem ich je geschwommen bin, einen in die Hände nimmt. Und auf der Rückfahrt in die Stadt erst merkt, wie sehr sich das Tempo verändert hat. Das ist schön so. Erinnerungen, die nach Sommer schmecken. Nach Sonne auf der Haut. Wärme. Fast die ganze Zeit Licht. Nach sehr langer Zeit einmal wieder in einem Wohnwagen schlafen. Mit dem Fahrrad durch den Wald.
Und jedes Jahr fällt mir immer wieder irgendwann die Aussage von Konstantin Wecker ein: "…die verbleibende Zeit nicht in Jahren, sondern in meinen heiss geliebten Sommern zu zählen. Also noch gut 30 Jahre leben, ist eins. Aber nur noch 30 Sommer: das ist entsetzlich überschaubar, abzählbar." Da war er wohl knapp über 40, als er auf der Uferlos in Salzburg Platte dem Sommer huldigte. Die Aussage fiel mir schon mit 16 Jahren beim Hören auf. Sie soll mir eine stetige Mahnung bleiben.
Der Sommer 2022 wird mir als einer der Sommer in Erinnerung bleiben, den ich nicht vergeudet habe. Trotz Corona Nachwehen. Ausreichend Wärme für den Winter und die dunkle Jahreszeit.
Es ist nur eine Zahl. Dennoch konnte ich sie nicht ignorieren. Sie war da, sie kam auf einen zu. Sie ist nicht hackbar, sie fordert ihre Aufmerksamkeit. Als Teil des Spieles. Sie kann nicht ignoriert werden. Die Auseinandersetzung gehört dazu. Teil des Prozess. Ein Tag als Übergang. Ein Jahr als Übergang. So viel, das zusammen gekommen ist.
Für das äußere Setting hatte ich mich lange vorher festgelegt. Und das war gut so. Ein Finale im kleinen Kreis. Ein See im Nirgendwo.
Der innerer Prozess, der sorgte für einen sehr turbulenten Juli. Geprägt noch von dem Corona Tanz. Auf dem Weg in ein Leben danach. Nach den 40. Nach Corona. Nach so vielen Erinnerungen, die sich ineinander vermischen und das ausmachen, was ich bin. Kein neues Leben. Aber ein Leben im Übergang.
Wenn Jubiläum, dann feiern. Es wurden 19 Minuten, eine Art der Grenzlosigkeit, mit offenen Ende, keinem Ende. Als würde man noch tanzen, wenn die Musik schon aus ist, weil es im Kopf nie aufgehört hat.
Danke an die Menschen, die den Übergang mit mir verbracht haben. Es bedeutete mir sehr viel.
Über zwei Jahre habe ich versucht, dem Corona Virus zu entfliehen. Ihm zu entgehen. Und während ich vor einem unsichtbaren Feind geflüchtet bin, hat das Virus alles um mich herum und in mir auf den Kopf gestellt. Schonungslos. Die Welt im Juni 2022 war nicht die Welt von Anfang 2020. Sie hatte an so vielen Punkten kaum mehr Gemeinsamkeiten. Keine Beziehung zu einem anderen Menschen, die das Virus nicht irgendwie infiziert hatte, im Guten, sowie im Schlechten. Still und leise. Ohne Husten und Schnupfen. Mal weniger, mal mehr.
Und an dem Punkt, an dem sowieso alles mit dem Virus verseucht war, und die Menschen müde und gleichzeitig gierig waren, fing es an, sich auf den Weg zu machen, und überall zu sein. Einer nach dem anderen wurde "positiv". Als es in meiner Wohnung ankam als Geschenk von Vögeln, war keine Maske mehr genug, um ihn aus dem Weg zu gehen. Es lies mich noch zappeln, wartete, bis meine Hirn vollends weichgekocht war. Um mich dann vor die Frage zu stellen, wo eigentlich meine Verantwortung liegt und wo sie aufhört.
Es war heiss, die erste Hitzewelle des Sommers legte sich über Europa. Und Berlin war mittendrin, die Luft flimmerte. Und ich werde diese Tage nie vergessen. Mit einem dicken Hals loslassen und doch auch irgendwie dem Virus einen Arschtritt verpassen. Das Virus hat viel genommen, aber es hat auch Neues geschaffen, das in dieser Form es wohl nie ohne das Virus gegeben hätte. Die finale Infektion, ein wilder Tanz mit dem Virus.
Dort wo etwas aufhört, fängt etwas Neues an. Und dazwischen liegt eine Reise, ein Weg. Und auf dem Weg, auf der Reise, da kann es durchaus passieren, dass etwas ganz anderes aufhört und etwas anderes neu anfängt. Und das fängt sich gerne an, zu überlagern. Schicht auf Schicht, Wege über Wege, Monate über Monate, Jahre über Jahre. Eine Reise in einer Reise in einer Reise in einer Reise. Leben als fluider Übergang zwischen Ende und Anfang. Und da möchte ich ja eigentlich durchaus gerne denken, dass es alles Kreise sind, die sich schließen werden, Wege, auf die man zurückfindet, die zu Ende gegangen werden können. Das bleibt dann aber doch eher Wunschdenken. Wobei die Frage dann doch angebracht wäre, wo ein Weg eigentlich zu Ende gegangen ist. Wo hört ein Weg auf und wo fängt er an? Wege hören ja auch nicht unbedingt dort auf, wo alles danach aussieht, das der Weg aufhört - ein überwundenes Hindernis weiter sind ganz andere Möglichkeiten. Zäune und Mauern sind nur "Herausforderungen", der Kopf muss einfach weiter denken. So ist es dann doch vielmehr eher ein Fluss, der sich seinen Weg sucht, stetig vorwärts. Aber wann startet eine Reise, und wo hört sie auf? Wie weit kann man rein- und rauszoomen? Ahnenbücher als Blick ins Über, ein Monat im Vergleich ein Blick ins Detail. Dabei kann ein Monat schon eine dermaßen lange Reise, bzw eine unglaubliche Anzahl an verschiedenen Reisen sein.
Mai 2022 würde ich dazu zählen. Ein Lola rennt Monat. Losgelaufen und nicht mehr angehalten (bzw bin ich wahrscheinlich schon in den Monat hinein gerannt, oder mit einer Strömung hineingeflossen). Improvisation ist das Gefühl, sich die ganze Zeit in die Enge zu treiben, um zu sehen, was dann passiert, wie das Verhalten in Situationen, die eine Entscheidung verlangen, sein wird. Und das zu forcieren. Ein stetiges sich Provozieren, ein vor sich hin mäandern. Flüsse fließen nicht gerade, gerade Flüsse sind Erfindungen der Menschen. Inzwischen baut er Mensch begradigte Flüsse wieder zurück und merkt, dass er noch viel zu lernen hat, der Mensch, was die Natur auf dem Wege der Improvisation über eine verdammt lange Zeit herausgefunden hatte.
Mai war eine stetige Dauer Provokation. Ganz am Ende des Monats war ich sogar auf meiner eigenen Beerdigung. Viel weiter kann es der Monat Mai eigentlich nicht schaffen. Wege sind eben auch nicht immer so geradlinig, wie die Annahme so ist. Improvisation ist nicht verkehrt bei nicht vorhersehbaren Wegen. Eigentlich könnte sie grundsätzlich zum Prinzip erhoben werden, wenn sie nur nicht auch so anstrengend wäre. Dafür ist sie immer wieder von sehr kostbaren Momenten der Klarheit geprägt.
Und ich finde, dass aufgenommene Stück Anfang Juni spiegelt das alles recht gut wieder. Das Bild hierzu entstand im Rathaus Mitte. Und auch dieser Weg ins Rathaus erinnerte mich noch die ganze Nacht daran, dass mehr Vertrauen in Improvisation wirklich nicht verkehrt wäre, egal wann, egal in welchem Kontext.
Und nein, Improvisation ist nicht Intuition. Das mag ein erheblicher Anteil sein, aber es ist ein Zusammenspiel, von alldem, was uns als Menschen ausmacht. Und je besser man als Mensch in all den einzelnen Aspekten ist bzw über sie Bescheid weiss, desto besser kann das Improvisieren gelingen. Am Ende mag es nicht verkehrt sein, so gut in etwas zu sein, dass es wieder verlernt werden muss. Improvisation ist an dem Punkt durchaus ein Glasperlenspiel. Und das Spiel wird besser mit offenen Armen und einem offenen Herz begangen. Und man weiss um seine eigenen Grenzen und hat Lust darauf, sich diesen zu stellen.
Es kann gar nicht genug für Improvisation geübt werden. Und das ist kein Widerspruch, nein. Die Kunst liegt am Ende darin, sich immer wieder neu zu überraschen. Im Guten, sowie im Schlechten. Kann ein Fluss einen Fehler machen? Er fliesst einfach, sucht sich seinen weiteren Weg. Und auf seinem Weg ändert sich durchaus auch manch zurück liegendes Stück des Weges. Manch Blockade wird unter- oder überspült. Der Verlauf leicht angepasst. Menschlich gebaute Staudämme bleiben am Ende nur ein Hindernis. Die Illusion, man könnte den Lauf eines Flusses im Guten bestimmen, die bleibt eine Illusion. Es bleibt also die Herausforderung, den Verlauf mit offenen Armen anzunehmen.