Müde Tanzen

Die Blüte, die man auf dem Bild sieht, strengt sich so sehr an, eine tolle Blüte zu sein, dass sie innerhalb von einem bis zwei Tagen verwelkt. Zurück bleibt eine ganz fest zusammengerollte kleine Kugel auf dem Boden. Das Ganze geht so schnell, dass es ohne Probleme verpasst werden kann. Zufall, wenn man es mitbekommen darf, sogar noch daran denkt, es festzuhalten. Zeuge eines der vielen Mikroorgasmen überall. Wobei man bei Dominik Eulberg wäre. Und dadurch und wieder beim Tanzen. Und von Tanzen ist zur Musik auch nicht mehr weit. Womit ich auch schon im April bin. Die Idee ist ja an sich, 12 Eindrücke zu sammeln, jeden Monat einen, für ein Jahr. Das heisst auch 12 mal sich die Mühe geben, einen Eindruck, einen Moment in sich zu finden. Und am schönsten wäre es natürlich, wenn es 12 unterschiedliche musikalische Eindrücke sind. Also war die Aufgabe an mich vor dem Stück, mich zu trauen, mich von den üblichen Pfaden weg zu trauen. Und ja, manchmal überrascht man sich ja selbst. Das schöne an der Improvisation ist, das auf einmal etwas angeflogen kommt. Das nie vorher da war. Und die Überraschung darüber und die Verwirrung, was die Finger da unter den Augen eigentlich für verrückte Dinge machen. Der Moment, wenn die Finger die Musik tanzen. Und in diesem Fall aber auch hört, wie fremd und daher unsicher der Tanz ist. Tendenziell verkrampft, nicht weich, hart im Anschlag (untermalt von doppelten Kompressor Einsatz und Equalizer). Es gibt dann Momente, Ideen, von denen etwas hängen bleibt. Die sich in den stetigen Fluss einfügen, etwas verdrängen und all die anderen Melodien um sie herum beeinflussen. Und es gibt Ideen und Momente, die so anders und abgefahren sind, dass sie am Ende fast einzigartig bleiben. Diese sind dann, wie die Blüte, einer von den vielen Mikroorgasmen. Und wenn ein Aussenstehender nicht weiss, welchen einzigartigen Moment er beiwohnen durfte, denkt er sich vielleicht: schöne Blüte. Aber halt ne schöne Blüte. Oder, ja, kein schlechtes Stück. Aber wiederholt sich ja die ganze Zeit auch irgendwie. Dabei liegt der schönste und ehrlichste Part in dem Stück recht einzigartig in nicht einmal 10 Sekunden mittendrin - ein kurzer ehrlicher Ausblick mitten im tanzenden Funktionieren. Und dafür, dass ich das da geparkt habe, könnte ich mich schon ein wenig lieb haben. Für den Versuch, eine Idee so stringent versuchen durchzuziehen, auch ein wenig auf die Schulter klopfen. Aber das mag an der Natur der Dinge liegen. Manche Blüten sind so einzigartig, sie sind schon zum verwelken müde, wenn sie ihren prächtigsten Zustand erreicht haben. Aber dafür, dass die Blüte müde ist, schaut sie für diesen einen Augenblick, verdammt gut aus.

Wiederum, jeder hört und siehst etwas anderes. Der Rest bleibt Interpretation. Und was das mit dem April zu tun hat, mit meinem April, das sei dahin gestellt. Tanzen ist Therapie, sagte ein schlauer Mensch, an meinem letzten Geburtstag. Sonnenaufgänge, die durchs milchige Glas in den Raum brechen, lassen all die Staubteilchen müde mitten im Raum tanzen. Ein kurzer Moment, zack, vorbei. Es bleibt: SehnSucht. Und wenn man den Moment eingefangen hat, dann eine Erinnerung.


Gespielt und aufgenommen am: 20.04.2022

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