Etüde 22022022

Die Gattung Etüde ist und war stets negativ belegt meinerseits. Da ist immer das graue Czerny Notenbuch im Kopf. Warum es grau war, und nicht schwarz, verstehe ich rückblickend nicht wirklich (czerny = schwarz in tschechisch). Etüden haben, wenn überhaupt, nur kleine Ideen, kleine Fluchten. Kleine Farbklekse im schwarz weissen Alltag. Ansonsten bleiben sie eine Übung. So wie der Februar immer eine Übung ist. Nicht zu verzweifeln, nicht die Hoffnung aufzugeben, die Sonne wird irgendwann den grauen Matsch durchbrechen, das erste Grün wird durchkommen. Das Leben erwacht wieder langsam. Ein anstrengender Monat. Ein Monat des Aushaltens.

Der Februar hat sein Lied zwei Tage vor dem russischen Einmarsch in die Ukraine bekommen. Etüden sind auch Momentaufnahmen. Vorbei, sobald verklungen. Ich könnte sie nicht wiederholen. Und sie ist, wie sie ist, weil sie anders sein sollte. Und das ist sie geworden. So passt sie dann doch auch zu dem Ende des Monats: zwei Tage später begann ein Krieg in Europa. Ein Krieg, der mir näher ist als die Stadt Freiburg, also rein von der geographischen Distanz. Und auch wenn die Hoffnung existiert, dass der Krieg bald möglichst ein Ende finden mag: was der Krieg im Inneren zerstört hat, wird Generationen überdauern. Und die Fragen, die eine solche Situation aus der Ferne aufwirft, erschlagen einen mit solcher Wucht und Traurigkeit, so dass ich froh war, einer bereits aufgenommen Etüde zuhören zu können. Ordnung in einer Unordnung. Und ein offenes Ende.


Gespielt und aufgenommen am: 22.02.2022

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